Dankbarkeit ist ein tolles Gefühl. Wenn man selbst dankbar ist, aber auch wenn man Dankbarkeit entgegengebracht bekommt oder wenn man Dankbarkeit weitergeben kann. Davon erzählt diese kleine Alltagsgeschichte.
Ich hatte gerade einen guten Termin hinter mir und fuhr gut gelaunt mit dem Fahrrad von A nach B. Der Tag war noch nicht vorüber und ich freute mich auf alles, was noch kommen sollte. Plötzlich bemerkte ich, wie meine Hände die Bremsen anzogen, ausgelöst durch meine Augen, die einen schwarzen Gegenstand und eine Plastekarte auf der Straße sahen. Ich blieb genau darüber stehen, bückte mich und hielt ein Portemonnaie und eine Metro-Mitgliedskarte in den Händen. Das Portemonnaie war mit allem prall gefüllt, was hinein gehört: Führerschein, Ausweis, Geldkarten, … Ich las den Namen auf der Mitgliedskarte und erfuhr, dass der Herr Architekt ist.
„Na so viele Architekten mit diesem Namen wird es wohl in Berlin nicht geben“, dachte ich, zückte mein Handy und suchte mir die Telefonnummer seines Büros heraus. Die antwortete Dame war zwar etwas verwirrt, rief aber schließlich ihren Chef an, gab meine Telefonnummer weiter und kurze Zeit später telefonierte ich mit dem Besitzer. Wir verabredeten uns an der Straßenecke, wo ich das Portemonnaie gefunden hatte und bald kam ein Mann mit den Worten „Sind Sie mein Weihnachtsengel?“ auf mich zu. Naja, kein Weihnachtsengel, nur ein Finder, der es für selbstverständlich hält, verloren gegangene Sachen zurückzugeben. Wir unterhielten uns kurz über sein Missgeschick, seine verzweifelte Suche Zuhause und über seine Erleichterung, dass er nun sein Portemonnaie wieder zurückbekam. Dann drückte er mir einen 50-Euroschein in die Hand: „Für Sie, vielen Dank!“. Ich wollte das Geld nicht annehmen, er Architekt weigerte sich aber, das Geld zurückzunehmen. Psychologisch ist es nachvollziehbar: Einer tut etwas für den Anderen, der will nicht in der Schuld stehen und gibt etwas zurück. Dieses Phänomen nutzen übrigens auch Supermärkte, wenn Sie uns kostenlose Probierhäppchen anbieten. Aber das nur am Rande… Also gut, ich behielt den Schein, stieg aufs Fahrrad und fuhr weiter gen B.
Dann kamen die Gedanken
Der Architekt war augenscheinlich sehr dankbar und drückte seine Dankbarkeit mit einem Geldschein aus. Das Gefühl der Erleichterung sich nicht um die Wiederbeschaffung aller Karten kümmern zu müssen, muss enorm gewesen sein. Da spielt das Geld tatsächlich eine untergeordnete Rolle. Mein Tag war bisher ziemlich gut, meine Laune bestens. Der Geldschein steigerte meine Freunde nicht weiter, sondern er war mir, obwohl es sehr viel Geld war, vollkommen egal. Hm, was also tun, wenn ein Architekt große Dankbarkeit und Freunde erfahren hat, ich ohnehin gut gelaunt bin, ganz unabhängig von dem Portemonnaiefund? Würden die plötzlichen bekommenen 50 Euro mein Leben verändern? Nein. Wofür sollte ich sie überhaupt ausgeben? So sinnierte ich etwas über den Wert von Geld, Finderlohn und das Gefühl von Erleichterung und Dankbarkeit.
Schließlich entschied ich, die Freude des Architekten direkt an jemanden weiterleiten, der dringender Geld braucht und die 50 € zu spenden. Dann wäre Dankbarkeit mit Dankbarkeit aufgewogen und ich bin nur der Bote des Geldes. Das passt für mich besser, als wenn ich für etwas belohnt werde, das sowieso meinen Werten entspricht. Ich bin allerdings auch dankbar. Dankbar für dieses weitere, kleine und schöne zwischenmenschliche Erlebnis.